Ausstellung Architektur

Ausstellung Architektur in Stadt und Landkreis Rosenheim

Die Ausstellung Architektur in Stadt und Landkreis Rosenheim war ein wahrlich erfolgreicher Start der Bürger für Prien ins Jahr 2013.
Ziel war es ja das Thema Ortsentwicklung und Ortsgestaltung in den Mittelpunkt der Diskussion zu rücken. Was eignete sich dafür besser als die mit viel Fachkompetenz zusammengestellte Ausstellung Architektur in Stadt und Landkreis Rosenheim des RosenheimKreis e.V. nach Prien zu bringen. Die Veranstaltung war perfekt, als Herr Bürgermeister Seifert, dem das Thema persönlich am Herzen liegt, sich bereit erklärte die Schirmherrschaft zu übernehmen.
Ganz offensichtlich ist die Veranstaltung auf das Interesse der Priener gestoßen, denn die Teilnehmerzahlen des Rahmenprogramms haben alle unsere Erwartungen übererfüllt. Selbst die kleineren Veranstaltungen zogen mindesten 30 Zuhörer an.
Höhepunkte waren aber sicherlich die Podiumsdiskussion und der Häusergang durch Prien mit jeweils über 70 Teilnehmern.

Eröffnung
Schon bei der Eröffnung am zweiten Februar durch den Schirmherrn Herr Seifert und die Veranstalter wurde klar wie vielfältig die Architektur im Chiemgau ist. An den Stellwänden sah man traditionelle Gebäude, neben „modernen“ Lösungen, was bewies, dass es gute Architektur für jeden Geschmack gibt. Interessant waren neben den Einfamilienhäusern, vor allem auch die durch die Jury des RosenheimKreises ausgewählten Gewerbebauten und die Gebäude der öffentlichen Hand (Schulen, Kindergärten, Rathäuser, etc.). Der Katalog der Ausstellung sei jedem empfohlen, der sich für Architektur interessiert, oder der selbst plant ein Haus zu bauen. Er kann nach wie vor unter www.rosenheimkreis.de bezogen werden.

Podiumsdiskussion
Zwei Tage nach der Eröffnung fand mit der Podiumsdiskussion „Architektur für Prien“ das erste Highlight des Rahmenprogramms statt. Das Podium war hochkarätig besetzt durch Architekten aus Prien und der Region. Dies waren im einzelnen Herr Architekt Püschel, aus Prien, Herr Architekt Juraschek, Baudirektor beim Landratsamt Rosenheim, Frau Architektin Hamberger vom RosenheimKreis e.V., sowie Herr Architekt Wieland von der Fraueninsel.
In der Hauptsache drehte sich die Diskussion um die räumliche Gestaltung von Priens Quartieren. Deutlich unwohl und wenig gesprächig fühlten sich die Experten, bei der Bewertung von einzelnen Objekten. Es gilt wohl doch der Spruch, dass jeder Bauherr nach seiner Facon glücklich werden muss, denn alle waren sich einig, dass es eben die Kunst des Architekten ist, die Wünsche des Bauherrn zu erfassen und nicht ein Designobjekt zu erstellen.

Hier Ausschnitte aus der Chiemgau Zeitung die über die Veranstalung berichtete
… Auch Wieland forderte, „sich mit der Stadt einzulassen und sie anzunehmen“, keine Angst vor moderner Architektur zu haben, sondern vielmehr mit ihr die alten Elemente zu stärken…
…Hamberger pries den historischen Ortskern rund um die Kirche als Juwel, wohingegen anderen Bereichen eine Neuordnung nicht schaden würde. „Der Weg zum Königsschloss ist eigentlich nur ein Parkplatz…
…Juraschek pickte sich als Areal mit Handlungsbedarf die Seestrasse heraus, die „durch den Druck des Bauens in den letzten 30 Jahren willkürlich, aber nicht gesteuert aufgefüllt“ worden sei….
Einig waren sich alle vier, dass das Bahnhofsviertel dringend neu geordnet werden sollte…. Juraschek legt der Gemeinde ans Herz, auf die Maßstäblichkeit zu achten…, auch Püschel riet dazu, auf gewachsene Parzellenstruckturen zu achten, damit keine Einförmigkeit entsteht. Wieland empfahl eine „maßvoll, nicht massive und maximal zweigeschossige“ Bebauung.
Ebenso einhellig sprachen sich die Experten für eine „homogene Verdichtung“* der Wohnbebauung aus. Dami sich solche Lückenschlüsse zur Schaffung weiteren Wohnraums ins Umfeld einfügen und neue Häuser nicht zu Fremdkörpern werden, sei eine „gute Bauleitplanung das A und O“, sagte Hamberger und erntete für den Zusatz „Gute Bebauungspläne sind nicht mit Gold aufzuwiegen“ Applaus.
*Anmerkung: Verdichtung ist das Gegenteil von „Bauen auf der grünen Wiese“, hier hat ein Leserbriefschreiber in der Chiemgau Zeitung etwas gründlich missverstanden. Bei der Verdichtung werden bereits bebaute Grundstücke intensiver genutzt, entwder durch Teilung, oder durch Anbau an bestehende Gebäude.
In der anschliessenden Diskussion war vor allem der Einwand unseres 2.Vorsitzenden Wolfgang Holzer zu erwähnen, der andere Wohnstrukturen einforderte, die mit dem vorhandenen Land sparsamer umgingen und gleichzeitig auch Gemeinschaft schaffen. Er meinte damit vor allem genossenschaftlicher Strukturen, Mehrgenerationenhäuser, etc., sowie auch die Schaffung von dezentraler Infrastruktur, da gerade junge und alte Menschen oft nur über eine eingeschränkte Mobilität verfügen würden.(dies war dann auch Thema des Architekten Follin auf der Hauptversammlung der BfP im April)

Solarhäuser im Chiemgau
Der nächste Vortrag beschäftigte sich mit dem Thema Solar Häuser im Chiemgau. Mit einem Abstecher in die Welt von Öl und Gas zu Beginn verdeutlichte Herr Architekt Thomas Ziesel die Notwendigkeit eine Alternative zur Dominanz dieser Energieträger zu finden. Ein spannender Rückblick in die Menschheitsgeschichte machte deutlich, dass die Solararchitektur mitnichten das Rad neu erfindet. Das Grundkonzept im Winter die Sonne reinlassen und im Sommer zu beschatten sei schon bei Sokrates zu finden und Ressourcen schonendes Bauen in allen Kulturvölkern zu sehen gewesen.
Danach gab er einen Überblick von ersten Anfängen in den 70iger Jahren in Dänemark, zu einem Objekt bei Darmstadt, das zum ersten Mal wissenschaftlich belegt, dass ein Passivhaus in der Lage ist mit einem Bruchteil der Energie eines konventionellen Hauses auszukommen. Immer bessere Materialien, die mittlerweile auch bezahlbar sind, wie z.B. die Dreifach-Verglasung, steigern die Effizienz seither weiter.
Wichtig war Herrn Ziesel zu betonen, dass ein Passivhaus immer nur als Gesamtkonzept funktioniert, konsequente Ausrichtung nach der Sonne, maximale Wärmedämmung, Abdichtung der Gebäudehülle und Energierückgewinnung durch Lüftung mit Wärmetauscher („ja, man darf in so einem Haus noch die Fenster aufmachen!“) seien erforderlich, um den Energieverlust zu minimieren. Kühlung würde durch das Überleiten der Frischluft über Wasser erreicht, wie es schon seit Jahrtausenden im arabischen Raum praktiziert wird.
Das erste Solarhaus von Herrn Ziesel sollte bereits 1987 in Prien entstehen. Leider wurde es damals vom Priener Gemeinderat abgelehnt. Die Frustration ist dem Architekten noch heute anzumerken. 64,000 Liter Heizöl hätte man seitdem sparen können. Doch andere Gemeinden waren dieser Form der Architektur aufgeschlossener gegenüber und so entstanden in den letzten 25 Jahren Solarhäuser die durch die verbesserten Materialien und die wachsende Erfahrung des Architekten, immer effizienter wurden.
Wie sich denn seine Solarhausarchitektur mit den von den Bauausschüssen und Bebauungsplänen geforderten Satteldächern und Sprossenfenstern vertrage? Hier zog Herr Ziesel den Vergleich mit Pferdedroschken und genagelten Schuhen, kein Mensch käme auf die Idee das Auto zu verbieten, nur weil es vor 150 Jahren noch kein Standard war. Das traditionelle Satteldach käme aus der Zeit der Holzschindeln, es durfte nicht zu steil sein, sonst rutschen die Schindeln runter, zu flach regnet es rein.
Ob es denn nicht sinnvoller wäre, beim Gebäudealtbestand erst die Massnahme mit dem größten Kosten/Nutzen Effekt durchzuführen. Frei nach dem Motto „ein bischen Passivhaus gibt es nicht“, meinte der Architekt, das spannende an einer Sanierung auf Passivhausstandard sei, dass die großen Kosteneinsparungen dann kämen, wenn eben gar keine Heizung mehr benötigt würde, denn dann erst entfielen die Kosten für Brenner, Tankraum, Rohre und Heizkörper.
Der große Schlussapplaus zeigte, dass der Vortragende das Publikum mit seinen Argumenten überzeugen konnte.

Häusergang
Was wäre Architektur ohne Diskussion am „lebenden“ Objekt. Das haben sich auch einige Priener gedacht, denn mit anfänglich 70 Teilnehmern hatte die Veranstaltung schon fast die Dimension einer Demonstration.
Mit von der Partie waren der Kreisheimatpfleger Knut Stolte, Herr Alois Jeschke vom Landratsamt, sowie einige Architekten aus Prien und Umgebung.
Natürlich konnte so ein Häusergang nur punktuell Themen aufnehmen, da sonst die zu bewältigenden Distanzen zu groß geworden wären. So musste leider auf das Drama, das sich in der Hochplattenstrasse und Umgebung abspielt, verzichtet werden. Hier wurde ja ein ganzer Stadtteil quasi über Nacht von einem dörflichen Einfamilienhaus Quartier mit Obstgärten durch diverse Bauträger in eine urbane, eng bebaute und zugeparkte Wohnblock Siedlung ohne öffentliches Grün und Platz für Kinder verwandelt. Vermarktet wird das Ganze als Ferienwohnung und Altersruhesitz für 3700 Euro/m2.
Hätte man das nicht verhindern können? Doch, durch die rechtzeitige, d.h. vorausschauend Aufstellung eines Bebauungsplanes.
Aber zurück zum Thema. Der erste Halt war bei der Realschule, wo Herr Knut Stolte, als verantwortlicher Architekt den Erweiterungsbau und seine Geschichte vorstellte. Auch Herr Juraschek mischte sich in die Diskussion, da er nicht nur den Bauherren (den Landkreis), sondern auch den Denkmalschutz vertrat und es auf Grund der Lage und des begrenzten Raumes einige Kompromisse zu finden galt. Insgesamt aber ein durchaus gelungener, moderner Kontrapunkt zum alten Prien. Weiter ging‘s über die Schul- und Bahnhofsstrasse zu Prien’s derzeit heißesten Ort in Sachen Ortsentwicklung, dem Bahnhofsvorplatz. Hier wurde fleißig gestritten über das für und wider des VR Bank Neubaus. Einig war man sich, dass die Neugestaltung des Bahnhofareals eine Riesenchance für Prien ist und das ein Wettbewerb die richtige Herangehensweise an so ein über Jahrzehnte das Ortsbild prägendes Objekt ist.
An der Franziska-Hager Schule erklärte Herr Püschel das Energiekonzept der Schule und wie es in das bestehende Gebäude, bei laufendem Schulbetrieb eingebracht wurde. Dabei wurde deutlich welchen Sprung die technologischen Möglichkeiten in den letzten 30 Jahre in Sachen Energie sparen gebracht haben.
Weiter ging es in die Jensenstrasse 4, wo die Familie Niedermayer ein Mehrfamilienhaus realisiert hatte, dass nicht nur durch seine Erscheinung überzeugt, sondern auch durch das innovative Wohnkonzept, dass Herr und Frau Niedermayer hier verwirklicht haben. So steht den Mietern ein Gemeinschaftsauto zur Verfügung, außerdem wurde eine Wohnung für die Allgemeinheit frei gelassen, so dass hier ein Gästezimmer mit Bad entstand, so wie ein Gemeinschaftsraum. Beides kann von allen in Absprache genutzt werden. Das spart nicht nur Kosten, sondern vor allem auch Wohnfläche (denn wer braucht schon ein Gästezimmer 365 Tage im Jahr).
Den Abschluss bildete die Besichtigung des renovierten Bauernhofs von Herrn Architekt Hirner am Roseneck. Hier wurde mit viel Gefühl und Herzblut ein fast verfallener Bauernhof wieder hergerichtet. Aus der Tenne wurde ein Wohnraum der groß genug ist, dass seine Besitzer beschlossen haben, hier in unregelmäßigen Abständen Jazz Konzerte durchzuführen.


Architektur im Landkreis Rosenheim
eine Ausstellung sehenswerter Bauten mit Rahmenprogramm

Resümee und Kommentar

Die Bürger für Prien haben sich als eines ihrer Kernanliegen auf die Fahnen geschrieben, an einem Leitbild für unseren Ort maßgeblich mitzuwirken.
In diesem Sinne organisierten zusammen mit dem Rosenheimkreis die Ausstellung:
Die Podiumsdiskussion, der Vortrag über Solarhäuser, der Häusergang durch Prien oder der hochkarätige Vortrag über Bauen im Kontext boten eine sehr gute Möglichkeit für interessierte Laien, Architekten, Bauherren und Gemeinderäte, sich intensiv mit diesem so wichtigen Thema auseinander zu setzen, ja, sich auch richtiggehend fortzubilden.
Vor allem für mich als Bauausschussmitglied wurde Fragestellungen, mit denen wir immer wieder befasst sind, ganz praktisch und konkret im Gespräch mit Fachleuten einmal gründlich bearbeitet und weitergeführt. Hier die wichtigsten:

– brauchen wir nicht doch einen sogenannten Stadtbaumeister, einen ausgebildeten Städteplaner, um von dem „Kleinkram“ wegzukommen und uns den zukunftsbestimmenden Problemen zu stellen ?
– brauchen wir nicht doch einen Gestaltungsbeirat , um einmal Fachleute heranzuziehen?
– was sollen wir denn jetzt konkret angreifen?

Das sind die Fragen, deren Beantwortung wohl sofort angegangen werden muss, denn immer wieder stoßen wir in unseren Sitzungen auf Probleme, zum Beispiel Flächen, auf denen kein Bebauungsplan existiert und somit der Bauherr Freiheiten hat, die uns Gemeinderäte oft verzweifeln lässt!
Gut, dass hier schon ein erster Schritt erfolgte, denn eines der zehn Leitziele für Prien, im Gemeinderat beschlossen am 24.Oktober 2013 ist:

Die Änderung und Fortschreibung des Flächennutzungsplans und die vorliegenden Bebauungspläne sind mit dem neuen Flächennutzungsplan abzustimmen.

Dies sofort in Angriff zu nehmen, wurde uns in den Vorträgen und der Podiumsdiskussion immer wieder mahnend nahegelegt, denn „ein guter Bebauungsplan ist nicht mit Gold aufzuwiegen“.
Es sollte jetzt einer der wichtigsten Aufträge an Verwaltung und Gemeinderat sein, denn jeden Monat werden wir aufs Neue gezwungen, Lösungen zu finden und Entscheidungen zu treffen, die im Moment oft nicht als befriedigend bezeichnet werden können.
Agieren und nicht nur reagieren ist auch für uns Gemeinderäte angesagt.

Als Bürger für Prien werden wir nicht müde werden die zügige Umsetzung von Bebauungsplänen für ganz Prien einzufordern. Nur so können wir Herr der Entwicklung in unserer Gemeinde werden und müssen nicht tatenlos zusehen, wie mit der einzigen Zielsetzung der Gewinnmaximierung die Wohnviertel unserer Gemeinde über Nacht Ihren Charakter verlieren (siehe Hochplattenstrasse).

Werner Waap, Mitglied des Bauausschusses